In der Käserei
30 Kühe leben auf dem Gut Rothenhausen. Jede von ihnen gibt rund 6000 Liter Milch im Jahr. Zweimal täglich ist Melkzeit, einmal morgens und einmal abends. Die Milch vom Vorabend wird tags darauf in der hofeigenen Käserei zu Milchprodukten verarbeitet. Verantwortlich für die Produktion ist Käserin Karoline Czynski. An vier Tage in der Woche stellt sie Joghurt, Dickmilch, Quark, Frischkäse, Camembert, Brie und neun Sorten Hartkäse her. Wir haben Karo bei ihrer Arbeit über die Schulter geschaut.
Selbstgemachter Joghurt
Karo ist wie immer früh aufgestanden. Ihr Wecker hat um vier Uhr geklingelt, die Tür zu ihrem Arbeitsplatz hat sie um fünf Uhr aufgeschlossen. Die Käserei ist ein steriler Raum, 30 Quadratmeter groß ist er, die weißen Kacheln reichen bis zur Decke, und es schlägt einem feucht-warme Luft entgegen, wenn man von draußen nach drinnen tritt. Das Thermometer zeigt 26 Grad. Joghurt, Quark, Käse, sie brauchen Hitze und Feuchte, damit sich die Kulturen optimal entwickeln können. Im Kessel hinten rechts in der Ecke ruhen 200 Liter Milch. Über Nacht hat Karo die Milch gestellt und sie in der Früh auf 91,6 Grad erhitzt. Langsam fällt die Temperatur wieder ab, um gleich, bei der magischen Grenze von 40 Grad in Gläser verschöpft zu werden.
Morgens ist Karos „Ruhe-Zeit“, wie sie sagt. Sie liebt die Stille, die Dunkelheit, das Morgengrauen, und geht die Sonne auf, hat sie bereits viel geschafft. Nüsse vorgekocht, Milch geschüttet, Molke abgelassen, Bakterien gewogen, Bakterien geschüttet, Lab eingespritzt, gelabte Milch gerührt, Haut abgenommen, gekühlt, Wasser abgelassen. Es klingt so harmlos, doch es ist eine Frage des exakten Timings, des Fingerspitzengefühls, der fließenden Prozesse, einer routinierten Hand-in-Handarbeit mit sich selbst. Jeder Griff muss sitzen, jede Temperatur auf ein Mü abgestimmt sein, alles andere verzeiht einem das Milchprodukt nicht.
In der Käserei tickt die Uhr
Dicht gereiht stehen die Gläser auf dem Metalltisch. Hat das Abschöpfen begonnen, muss es schnell gehen. Karo öffnet den Zapfhahn, lässt zwei Liter Milch in eine Kanne ein, sprintet an den Tisch und gießt 500 Milliliter in jedes Glas. Anna setzt die Deckel auf, schraubt zu, rückt leere Gläser nach. Alles funktioniert in geübter Wendigkeit, ohne einen Hauch von Hektik zu verströmen. Nächste Charge. Gläser von hinten, aufdrehen, positionieren, einfüllen, zudrehen.
30 Gläser ordnet Anna in eine Kiste, stapelt die nächste obenauf. Langsam bildet sich ein Turm, der sich auf einem Rollwagen hält, mit dessen Hilfe Anna die Ware nach 90 Minuten in den Wärmeschrank fährt, wo die Milch zu Joghurt eindickt. Im Vergleich zu anderen Milcherzeugnissen schafft es der Joghurt recht schnell zum Endprodukt. Bereits am Mittag holt Karo ihn aus dem Wärmeschrank und klebt Etiketten auf, versehen mit einer Mindesthaltbarkeit von zwei Wochen.
Da sie in der Käserei ohne Konservierungsstoffe arbeiten, ist das Zeitfenster bis zum Ablauf kurz. Das funktioniert gut, denn die Vertriebswege sind es auch. Karo muss nur über den Vorhof gehen und die Chargen in den Kühlschrank des Hofladens räumen. Weitere Fuhren verbringt die Hofgemeinschaft am Nachmittag in einen nahe gelegenen Biomarkt.
Camembert-Tag in der Käserei
Widmet sich Karo Joghurt, kann sie auf eine Säuregulierung bauen, die der Joghurt aus sich heraus schafft. Produziert die Käserin festere Milcherzeugnisse wie Quark, Frischkäse, Weich- oder Hartkäse, fügt sie Lab in die Milch, ein Enzym, das ursprünglich aus dem Kälbermagen stammt und dafür sorgt, dass sich das Fett in der Milch von deren 88-prozentigem Wassergehalt trennt. Aufrahmen heißt das im Käse-Jargon.
Sobald sich auf der Oberfläche eine dickliche Schicht gebildet hat, taucht Karo die Käseharfe in den Bottich und schneidet durch die „Dickete”. Dabei produziert sie Käsebruch, Hunderte feste Quader, die anmuten wie frisch geschnittener Schafskäse und sich deutlich von der Molke abheben. Karo wartet zehn Minuten, um das Procedere zu wiederholen, bevor sie nach gut einer Stunde die Harfe zur Seite legt und zur „Schufe“ greift. In schnellen Bewegungen wirkt Karo mit deren langen Kante durch den Rahm. Ein letztes Mal sollen sich die Bruchstücke verbinden, dann haben sie die richtige Konsistenz erreicht.
In der Käserei beginnt das Verschöpfen. Es ist wieder eine Arbeit mit der Zeit. Maximal 25 Minuten dürfen vergehen, bis Karo die Bruchstücke in die Formen gefüllt hat, denn die Dickete zieht sich weiter und weiter zusammen und wird fest. Mit der Schöpfkelle hebt Karo eine Portion Dickete aus dem Kessel, schwingt sie über die Formen und schüttet nach Gefühl das richtige Maß der knubbeligen Mäuse hinein. Aus den Löchern, die in die Formen hinein perforiert sind, fließt die Molke ab.
Bakterien machen die Käsesorte aus
Gegen elf Uhr ist die Käserin mit nahezu allen Schritten fertig. Ihr Käse muss ruhen und innerhalb der kommenden 24 Stunden auf vier Grad herunterkühlen. Ist diese Temperatur erreicht, wandern Brie und Camembert in den Käsekeller, um dort, ab und an gebürstet und gewendet, für drei Wochen vor sich hinzuschimmel und zu reifen.
Vorher aber heizt Karo dem Käse noch einmal richtig ein. Mit einem Schlauch sprüht sie heißes Wasser über die Formen, Wasserdampf steigt auf und lässt das Thermometer in der Käserei auf knapp 30 Grad steigen. Die Luftfeuchtigkeit ist ein Wonnebad für die Bakterien, denn bei Hitze vermehren sie sich prächtig. Einen guten Esslöffel dieser Helfershelfer hat Karo am Morgen in die Milch geschüttet, Kulturen, von denen es zahlreiche gibt und die aus jedem Käse erst die bestimmte Sorte Käse machen. Ob Gouda, Bergkäse, Brie oder Blauschimmel, jede Sorte kennt seine eigene Bakterienkultur.
Ein Herzstück der Käserei
Wir gehen hinunter in den Käsekeller. Kühl und schwach beleuchtet ist es hier unten. Das Thermometer zeigt 14 Grad, die Luftfeuchte liegt bei 75 Prozent. In den fensterlosen Räumen, die im Keller des Wohngebäudes liegen, finden Karos Weich- und Harkäse die idealen Bedingungen vor, um vollmundig, reif und rindig zu werden. Da dieses Klima aber auch optimal für Fremdschimmel wäre, wischt und bürstet Karo die Laibe ein bis zweimal in der Woche. Manchen Käse wie den jungen Gouda „Jungbauer” begleitet sie auf dem Weg zur Reife über drei Monate. Andere brauchen vier Monate, bis sie ihr Aroma entfaltet haben. Am längsten verweilt der Bergkäse in den unteren Gemächern. Erst nach sechs Monaten gelangt er in den Verkauf.
Einige Hartkäse, die in den doppelseitigen Regalen lagern, haben bereits eine dunkel-gelbe Färbung angenommen. Manche sind gesprenkelt. Rote, bräunliche und grüne Stellen zeichnen sich auf ihnen ab. Sie stammen von den Kräutern, Gewürzen und Gemüsestücken, die Karo ihren Käsen beimischt und die ihnen zusätzlichen Charakter – und einen eigenen Namen – verleihen. Onkel Basilikum und Möhren Martha hat Karo ihre Käse getauft. Rosmarie und Tante Kleehorn. Peppiger Bauer oder Feurige Bäuerin.
Eine letzte Frage, Karo: Wie bist Du Käserin geworden?
„Nach der Schule habe ich ein Praktikum auf einem Bauernhof gemacht. Dort gab es Schafe und in die habe ich mich sofort verliebt. Egal ob Schaf, Kuh oder Ziege, ich liebe alle Tiere, die Milch geben und wusste, dass ich irgendwann mit ihnen arbeiten möchte.“ Nach ihrem Studium der Landwirtschaft hat Karo auf verschiedenen Höfen gearbeitet, ist für drei Monate auf eine Alm nach Österreich gegangen und hat auf einem Hof in Sachsen ihren zukünftigen Mann kennengelernt. Mit ihm ist sie vor sechs Jahren auf das Gut Rothenhausen gezogen. Er kümmert sich um die Hühner, sie hat eine Fortbildung zur Käserin gemacht.
„Die theoretischen Grundlagen sind das eine”, sagt Karo noch. „Viel wichtiger aber ist die Haltung der Tiere. Einen guten Käse erkennt man daran, wie die Kühe gelebt und was sie gefressen haben. Unsere Kühe stehen von Frühjahr bis Herbst auf der Weide und ernähren sich vom frischen Gras. Im Winter bekommen sie unser Heu. Man sieht es der Farbe eines Käses an, was die Tiere zu sich genommen haben, man riecht es und man kann es schmecken. Die Tiere müssen es so gut wie möglich haben, nur dann schaffe ich einen tollen Geschmack.“
Short facts
Karoline Czynski wohnt und arbeitet auf dem Gut Rothenhausen, einem Demeter-Betrieb in Großschenkenberg, wenige Kilometer von Lübeck entfernt. Die Hofgemeinschaft, zu der fünf Familien und mehrere Mitarbeiter zählen, produziert Milch, Käse, Getreide, Gemüse und Backwaren. Ihre Waren vertreiben die Landwirte im Hofladen, über einen Lieferservice und in einem Lübecker Biomarkt.
Der Quark aus Karos Käserei …
steckt unter anderem in unserem supercremigen Käsekuchen. Oder habt ihr Lust auf ein vollwertiges Brot, das toll zu Käse passt? Wir lieben dieses Schrotbrot sehr. Es ist einfach gemacht und hält lange frisch.