Unter Schafen
Sandra von Pluto betreibt eine Milchschäferei in Bad Oldesloe. Mit ihrem Freund hat sie den Betrieb 2018 mit 23 Mutterschafen gegründet. Wir haben die Landwirtin einen Tag auf die Weide und in den Melkstand begleitet.
Der Traum von der eigenen Schafherde
Im sechsten Semester hatte sich Sandra entschieden, dass sie mit Schafen arbeiten wollte. Während ihres Studiums der Ökologischen Landwirtschaft hatte sie ein Praktikum in einer Milchschäferei auf einem Hof im Spreewald gemacht, und als sie dort an einem dunklen, frühen Morgen auf die Weide trat, hat sie gedacht, ja, das könnte ich immer machen. „Die Ruhe, die diese Tiere ausströmten, das Morgengrauen, diese Momente, in denen es nichts gab außer den Tieren und mir, dieses Gefühl hat mich nicht mehr losgelassen“, sagt Sandra.
Einige Jahre später steht sie auf der Wiese ihrer eigenen Schäferei, die sie gemeinsam mit ihrem Freund gepachtet hat. Im Dezember 2018 haben die beiden das Abenteuer Milchschäferei begonnen, mit 23 Tieren sind sie gestartet, inzwischen ist die Herde auf 43 Tiere gewachsen. 35 Lämmer grasen im Lübecker Umland, die Mutterschafe weiden auf den Feldern in Bad Oldesloe, und blickt man hier in Richtung Horizont, erfasst das Auge viel Gras und Weite, bevor die ersten Bäume das Land begrenzen. Nordisch, Schleswig holsteinisch, eben.
Schafe schließen Freundschaften
Es war ein Zufall, oder vielmehr die Offenheit, die Sandra in den Norden gezogen hat. Studiert hat sie in Hessen, ihr Freund Tillmann in Sachsen, und als beide ihre Abschlüsse in der Tasche hatten, haben sich beide gedacht, wir gehen dorthin, wo die Tiere eine optimale Lebensgrundlage finden. Dorthin, wo das Land weit und die Wiesen saftig sind, denn Schafe brauchen nicht viel. Aber ausreichend Weidefläche, die sie abgrasen können. Mehrere Kilo Gras fressen die Wiederkäuer am Tag. Unermüdlich, unersättlich. Wenn sie früh morgens erwachen, beginnt das große Fressen, nur unterbrochen von kurzen Phasen des Ruhens und Wiederkäuens, dann senken sie wieder ihr Haupt und kürzen die Halme, einem Rasenmäher gleich.
Es sind die immer gleichen Gruppen, die Sandra dabei beobachten kann. Die Dreier-Gruppe etwa, die sich stets etwas am Rand der Herde aufhält und ziemlich zickig wird, wenn man sie, zum Beispiel zum Scheren, voneinander trennen will. „Schafe schließen Freundschaften und haben einen starken Zusammenhalt in der Herde. Ein Schaf würde niemals freiwillig ohne seine Herde irgendwo hin gehen. Das ist eine der Eigenschaften, die mich an den Tieren sehr faszinieren“, sagt Sandra, und während sie so am Rand der Weide sitzt und Hündin Dawn krault, ist mehr als ersichtlich, dass sie zusammen passen, die Tiere und sie. Von morgens bis abends hat Sandra mit ihnen zu tun. Die Abläufe der Tiere bestimmen ihre Abläufe. Aber das versteht sich von selbst, bei einer Landwirtschaft wie Sandra sie betreibt. Nah am Tier. Mit ausschließlicher Weidehaltung, ohne Zufütterung von Getreide und Eiweißfutter. Mit Fokus auf Bodengesundheit und mikrobieller Vielfalt in der Erde. Mit Mutter-Kind-Zeiten für die Lämmer.
Von der Stadt aufs Land
Der Weg in die Landwirtschaft hat Sandra über Umwege geführt. Zunächst hatte sie in Köln BWL studiert und wollte Konzerte und Events vermarkten. Doch die Stadt war ihr zu groß, das Leben dort zu hektisch. Es folgte der Cut, eine Drehung um 180 Grad in eine Richtung, die sich mehr an den Interessen ihrer Kindheit orientierte. Umwelt, Tiere, Natur fand sie schon immer toll, und so zog es Sandra mit Mitte 20 nach Witzenhausen, wo sie sich für die Ökologische Landwirtschaft einschrieb.
Während des Studiums absolvierte sie diverse Praktika auf Höfen – und auf einem dieser Höfe hatte sie besonderes Glück. Ein Lehrling, der sich für die Fortbildung zum Käser angemeldet hatte, sprang kurz vor dem Start ab. Sandra übernahm den Platz, schloss die berufsbegleitende Ausbildung zur Käserin ab und besiegelte wohl auch an dieser Stelle, ihren Traum in die Tat umzusetzen und mit milchgebenden Tieren zu arbeiten. Die Schafe also sind es geworden. Besondere Schafe. Krainer Steinschafe, eine vom Aussterben bedrohte Rasse, etwas kleiner als ihre Artgenossen, dafür zahmer, noch neugieriger, genügsam und äußerst widerstandsfähig. Robust sind sie, muskulös und etwa 45 Kilogramm schwer, abzüglich einer Wolle, die bis zu drei Kilogramm am Schaf ausmachen kann.
Schafe sind feinfühlig
Nachmittags ist Melk-Zeit, und führt Sandra ihre Herde zum Stall, folgen ihr die Tiere ohne Meckern, Murren und wenig Ausscheren. Nicht allein deshalb, weil es Muttertiere sind, die allgemein weniger zicken als ihre männlichen Artgenossen, die Böcke. Die ruhige Führung liegt auch daran, dass Sandra ihre eigene Sprache mit den Schafen entwickelt hat.
Sie verzichtet auf lautes Rufen oder hektische Bewegungen, auf Treiben oder Hetzen. Schafe sind schwingungsaktiv, fähig zur Empathie, sie reagieren auf Stress und andersrum auf Ruhe. „Bin ich gestresst, brauche ich mich den Tieren überhaupt nicht zu nähern, geschweige denn erwarten, dass sie so reagieren, wie ich es mir in den Kopf gesetzt habe. Meine Stimmungen übertragen sich. Bin ich schlecht drauf, machen die Tiere was sie wollen, und das ist dann oft viel Blödsinn“, sagt Sandra und lacht.
Die Schafe beim Melken
Arbeitet Sandra zwischen 16 und 17 Uhr im Melkstand, steht die Zeit für sie still. Sie genießt die Stunde Ruhe, die monotone Arbeit, die Nähe zu ihren Tieren, die ihre volle Aufmerksamkeit fordern. Brav warten die Schafe zu fünft in einer Reihe, etwa fünf Minuten dauert es, bis ein Euter leer gemolken ist. 400 Milliliter Milch gibt aktuell jedes Tier. „Dafür, dass sie, abgesehen von einem kleinen Melkstandleckerli, kein Kraftfutter bekommen, es schon recht spät im Jahr ist und die Schafe in diesem Jahr zum ersten Mal Lämmer bekommen haben, ist das ein akzeptabler Schnitt“, befindet Sandra.
Im nächsten Jahr will sie die Milchmenge erhöhen und zusätzlich morgens melken. Bis zu 800 Milliliter könnten es dann pro Tier werden. Mengen, die Sandra braucht, um ihr Angebot zu erweitern. Momentan produziert sie Joghurt aus der Milch. Hinzukommen soll Schafmilcheis, das sie auf dem Hof herstellen möchte. Ab Oktober, wenn die Schafe für ein paar Monate keine Milch mehr geben, wird der alte Pferdestall zu einer Hofeis-Manufaktur umgebaut. Und auch ein Café soll dort eröffnen.
Short facts
Die Milchschäferei Amalia liegt in Seefeld in Bad Oldesloh. Aus der Schafmilch, die Sandra von Pluto dort gewinnt, produziert die Landwirtin und Käserin Schafjoghurt, den sie von Mai bis Oktober auf dem Wochenmarkt in Bad Oldesloh vertreibt. Im kommenden Jahr soll sich das Angebot um Schafeis erweitern. Über ihre Webseite vermarktet die Milchschäferei zudem Strickgarn aus Schafwolle. Im Herbst 2020 startete der Vertrieb von Lammfleisch.
Mit Sandras Schafjoghurt
… haben wir unseren Joghurtkuchen mit Mirabellen gebacken. Sein Teig ist, wie es sich für einen schönen Joghurtkuchen gehört, herrlich fluffig und samtig-weich geworden. Lecker finden wir den Schafjoghurt auch als Dip zu einem Naan Brot.