Rhabarber & Kräuter
Petra Panthel betreibt eine Gärtnerei in Bliestorf bei Lübeck. Ihr Herzstück sind neben alten Obst- und Gemüsesorten die Blumen und Kräuter. Letztere haben uns besonders interessiert. Aber wir konnten die Rhabarber-Zeit nicht erwarten und haben bereits im Mai bei Petra vorbeigeschaut, wenn das Gemüse als erster Frühjahrsbote wächst.
Ein imposantes Gemüse
Wir haben einen sonnigen Tag erwischt, als wir Petra zum ersten Mal auf ihrem Feld besuchen. Der Rhabarber steht in voller Pracht, die Gärtnerin kniet am Boden und hebt die dicken Blätter vorsichtig an. Im Herbst vergangenen Jahres hat sie den Rhabarber gepflanzt und ihn über Winter frostsicher abgedeckt. Ist es März geworden, treiben die ersten Stengel aus, ach was, sie schießen in einer Geschwindigkeit in die Höhe, wie Petra es von keinem anderen Gemüse kennt. Der Rhabarber ist ein eigenwilliger Geselle, groß, wuchtig, stark, aus sich heraus fest gegen viele Angriffe der Natur.
Da hat sie andere Zöglinge, die mehr Schonung brauchen. Die Erdbeere etwa, die sie an diesem Tag in den Boden bringt. Mit der Harke lockert sie das Erdreich, das im oberen Stück ihres Ackerlandes sandig und steinig ist. „Das sind die Ausläufer der Endmoräne“, sagt Petra und harkt in betulicher Geduld weiter, Stück für Stück, Meter um Meter, bevor ihre Mitarbeiterinnen weitere Pflanzen in die Erde setzen.
In der Unterhaltung mit Petra fallen häufig die Worte biodynamisch, Artenschutz und fliegen über ihrem Kopf Wildvögel vorbei, huscht ein Strahlen über ihr Gesicht. „Schön, nicht?“, sagt sie. Gifte, Pestizide, Insektizide, es sind Worte, die Petra förmlich schmerzen. Die die sonst so ruhige Frau in eine leichte Rage versetzen, weil sie sich den Naturschutz in ihr Herz geschrieben hat, seit? Ja, seit wann?
Der Weg aufs eigene Feld
Eigentlich seit sie denken kann. Groß geworden ist Petra in einer Gärtner-Familie in Rheinland-Pfalz und sie wusste früh, dass auch sie beruflich mit der Natur zu tun haben wollte. Ausbildung zur Gärtnerin. Ein Gartenbau-Studium. Stationen in Südtirol, wo sie bei einem Obstbauern den biologischen Apfelanbau lernte. Jahre in Brandenburg auf einem Bio-Hof, wo sie ihrem heutigen Mann begegnete. Anfang 2000 folgte der Umzug nach Schleswig-Holstein, der Petra zunächst auf einen Demeter-Betrieb führte, der nur wenige Kilometer von ihrer jetzigen Wirkungsstätte entfernt liegt. Es schlossen sich einige Jahre in einer Behinderteneinrichtung an und rückblickend, sagt sie, habe sie sich überall wohl gefühlt. Doch Petra will nicht lange in geschlossenen Räumen sein. Sie mag keine starren Regeln. Sie will arbeiten, wie es ihrem Naturell entspricht.
An diesem Tag im Mai ist bereits zu erahnen, welch Pracht hier bald gedeihen wird. Einen Garten im Garten hat sie gemeinsam mit ihrem Mann, einem Gartenarchitekten, angelegt. Überall dort, wo die Kräuter einen guten Platz zum Wachsen finden, hat Petra einen Platz für sie geschaffen. Töpfe mit Kräuter-Pflanzen hat sie bereits auf einem alten Hufschmied-Wagen zum Verkauf platziert. Und dennoch ist es für sie etwas anderes, wenn Obst, Blumen, Kräuter und Gemüse vom Feld geerntet werden können, hier, auf den 0,75 Hektar Anbaufläche und auf zwei weiteren Feldern, die zum Betrieb zählen.
Zurück im Juli
Dutzende Sorten Kräuter
Als wir Ende Juli wieder vorbei schauen, haben die Pflanzen einen enormen Wachstumsschub erfahren. Es ist Samstag, das Feld hat für Besucher geöffnet, die Himbeeren und Stachelbeeren hängen an den Sträuchern, die Zeit der Ernte hat begonnen und Hang aufwärts, auf dem schmalen Weg hoch zu ihrem Kräuter-Schaugarten, der sich kreisrund um eine Holzlaube schmiegt, stehen Dutzende Kräuter in voller Pracht. Ihre Zöglinge hat Petra nach Sorten und deren Bedürfnissen geordnet. Jene Pflanzen, die mehr Sonne brauchen und ein mediterranes Klima gewöhnt sind, bekommen die Südlage im Beet und damit an sonnigen Tagen das pralle Licht. Andere, wie die heimischeren Salatkräuter, liegen an der hinteren Wand der Laube und können sich zu bestimmten Zeiten im Schatten erholen, um nicht zu vertrocknen.
Schnittlauch, Thymian, Oregano, Rosmarin duften im Garten. Daneben präsentieren sich Schnittlauch, Melde, Zitronenmelisse, Löffelkraut. Ein Beet weiter leuchten essbare Blüten, Ringelblumen, die Gewürztagetes, Borretsch. Von vielen Kräutern, wie der Minze, gibt es nicht nur einen Typ. Petra hat die Bergminze neben Apfel-, Ingwer-, Erdbeer- und Orangenminze gepflanzt. Sie knipst ein Blatt Orangenminze vom Stengel ab und zerreibt es zwischen den Fingern. „Riecht mal“, sagt Petra und führt die Hand zur Nase, „diese Aromen, diese Gerüche und die Vielfalt, die einem Kräuter anbieten, ich habe es von Anfang an geliebt.”
Die Kräuter von oben links nach unten rechts (in der Mobile-Ansicht von oben nach unten): Wohlriechende Eberraute, Zitronengras. Feigenminze, Rosmarin, gelbes Olivenkraut, Teppich-Thymian, Erdbeerminze, essbare Blüte der Ringelblume, Echte Bergminze
Magnet in der Innenstadt
Die meisten Waren vertreibt Petra über die Solawi, die Solidarische Landwirtschaft, zu der ein angestammter Kundenkreis zählt, der gegen einen monatlichen Beitrag Obst, Gemüse und Co erhält. Zur Gärtnerei zählt aber auch ein Hofladen und ein Café im Garten, das samstags seine Pforten öffnet. Viele Besucher zieht es dann in die Gärtnerei am Gut Bliestorf, die an diesem Tag neben Kaffee und Kuchen auch Vorträge zum Artenschutz, zu Wildbienen und Insekten, Führungen durch den Kräuterschaugarten und Aufklärung über den Anbau von ökologischem Obst und Gemüse bietet; oder schlichtweg Beeren, Blumensträuße und Kräuter zum Selbstpflücken. Petra treibt das Weitergeben ihrer Ziele, das Ausleben ihrer Gedanken um. Sie möchte teilen, verändern und manchmal, wenn sie länger über solch Inhalte spricht, mischt sich etwas Anstrengung in das sonst so fröhliche Gesicht der Gärtnerin, weil das oft so ist, wenn ein Ziel her, aber die Resonanz in der Gesellschaft ausbaufähig ist. Als Punkte hat Petra auf ihre Homepage geschrieben: Erhaltung von Bodenfruchtbarkeit, Förderung einer intakten Kulturlandschaft, Naturschutz, Produktion gesunder Lebensmittel, Schaffung von Arbeitsplätzen für benachteiligte Menschen.
Jeden Freitag zieht es Petra in die Stadt. Früh baut sie vor einer Apotheke in der Lübecker Innenstadt Tische und Kisten auf und drapiert darauf Setzlinge, Kräuter, Gemüse, Beeren, Obst, alles, was die jeweilige Saison gerade anbietet. An diesem Tag ist am augenfälligsten, wo das Herz der Gärtnerin nie aufgehört hat zu schlagen. Die Schürze umgebunden, greift sie aus einzelnen Vasen, die sie im Innenraum der Apotheke aufgestellt hat, zu verschiedenen Blumen und bindet sie zu Sträußen. Ihre Gebinde positioniert sie auf der Auslage eines Holzwagens; neben selbstgemachten Marmeladen, Kräuter-Ölen und -Bünden. Ab elf Uhr geht der Verkauf los. Doch Schlangen bilden sich bereits vorher. Manchmal, sagt Petra und lacht, habe sie sich fast eine Tür gewünscht, an die sie „Geöffnet ab 11 Uhr” schreiben könne. Aber das meinst sie nicht ernst. „Ich liebe den Kontakt und freue mich, dass so viele Menschen interessiert daran sind, was wir tun.”
Short facts
Die Gärtnerei Gut Bliestorf, die Petra Panthel seit 2009 führt, befindet sich auf dem Gelände einer alten Gutsanlage rund 15 Kilometer von Lübeck entfernt. Zum Sortiment zählen bekannte und rare Kräuter-Sorten, Beerenobst, ein breites Spektrum traditioneller und ausgefallener Blumen-Arten sowie seltene und alte Gemüse-Sorten. Von Juni bis Ende September ist das Garten-Café samstags geöffnet. Die letzten beiden Bilder stammen aus der Lübecker Inenstadt. Dort war Petra zum Zeitpunkt der Geschichte einmal wöchentlich mit ihren Waren vor einer alt eingesessenen Apotheke zu finden. Inzwischen hat sie den Stand aus zeitlichen Gründen aufgegeben.
Lust auf ein Rezept mit Rhabarber?
Vielleicht wäre dieser Streuselkuchen mit Rhabarber etwas für euch? Oder steht euch der Sinn nach einem Grillbrot? Mit Petras Kräutern haben wir unter anderem dieses fluffige Kräuterbrot gebacken.