Freilaufende Hühner
Wir lieben Hühner. Deshalb war es uns eine besondere Freude, einen Tag mit ihnen im Stall und auf der Wiese zu verbringen. Wir haben den Hof Hohlegruft besucht, einen Bio-Bauernhof in Nehms, wo rund 100 Hühner leben. Ob diese Tiere glücklich sind? Das wäre wohl als Mensch vermessen zu beurteilen und auch den Begriff finden wir etwas überstrapaziert. Aber wir durften den Hühnern dabei zusehen, was sie den lieben langen Tag machen, wenn sie sich frei bewegen dürfen. Und wir hatten den Eindruck, ja, diese Hühner sind total gut drauf.
Kommunikation der Hühner
Der Hahn kräht gegen fünf Uhr in der Früh. Das ranghöchste Tier erhebt als erstes seine Stimme, gefolgt vom zweitmächtigsten Mitglied der Herde. Jedes Rang niedere Tier hat zu warten, bis es an der Reihe ist. Alles hat seine Ordnung, alles folgt einer Hierarchie, und schert einer aus, dann hackt’s. Doch was rigide scheint, ist zum Wohle aller. In der Hackordnung steigt nach oben, wer kräftig genug ist, um eine Herde zu beschützen. Und natürlich der, der für den gesündesten Nachwuchs sorgt.
Da die 100 Tiere gemeinsam aufgewachsen sind, ist das soziale Gefüge auf dem Hof gut. Jeder kennt seinen Rang, jeder weiß um seine Macht, dafür hat die Schar ausreichend Konflikte miteinander gehabt – und bewältigt. Es herrscht friedliche Koexistenz, und wenn einmal nicht, ist das schnell geklärt. Mal lautstärker, mal leiser. Mal mit Gezänk, mal ohne. Mal mit blutigem Schnabel, mal heimlich weggeduckt im Gebüsch, aber stets lebendig und kommunikativ.
Mehr als 50 Laute zählen zum Wortschatz der Vögel, und über die tauschen sie sich rege aus. Droht etwa Gefahr, warnt der Hahn mit einem schrillen, gepressten „kirr” oder „korr”, was soviel heißt wie: „Achtung, Deckung!” Ist ein Huhn verängstigt, stößt es in schnellen, abgehackten, scharfen Tönen ein „Gack-ack-ack-ack-ackack-ack” aus. Ähnlich, aber leiser und ruhiger, klingt das Gackern, wenn eine Henne ihr Ei legt. Und will der Hahn seine Schar zum Futter locken, so tut er dies mit einem sanften „tuck tuck tuck”. Je schmackhafter das erspähte Futter ist, umso dringlicher wird sein Ruf.
Scharren, Picken, Sandbaden
Kontaktfreudig also sind sie, diese Hühner. Extrem niedlich (finden wir). Schlau, sagt die Wissenschaft. Fähig zur Empathie, treu und individuell. Jedes Tier hat seinen eigenen Charakter. Hühner können schüchtern sein, neugierig oder eitel. Ihre augenfälligste Eigenschaft ist aber wohl die Neugier. Wahren sie anfänglich einen Sicherheitsabstand von ein bis zwei Metern, kommen einem die vorwitzigsten Zweibeiner bald bis auf wenige Zentimeter nah, picken am Schnürsenkel und lugen ins Objektiv.
Und: Hühnern ist nie langweilig. Obwohl da nicht viel ist außer Feld, Wiese, Strauch, Baum, Sand und Stall, wissen sie sich den ganzen Tag über zu beschäftigen. Sie sind echte Bewegungs-Junkies. Wiese hoch, Wiese runter, mal schnell, mal langsam, und sind sie nicht gerade rennend unterwegs, lieben sie es, im Boden zu buddeln, im Sand zu scharren, zu picken und zu baden. Mit ihren mächtigen Füßen, die ohne Zweifel an ihre Vorfahren, die Dinosaurier, erinnern, graben sie im Erdreich und suchen nach Insekten und Würmern.
An sonnigen Tagen liegen die Hennen im Sand, dösen vor sich hin oder schleudern Fontänen von Sand über ihren Rücken. Das dient der Körperpflege, denn mit dem Grit, den kleinen Kalk-Stücken im Sand, reinigen sie ihr Gefieder. Der Hahn wacht derweil über seine Damen-Schar. Langen Schrittes stolziert er an der Truppe vorbei und käme jetzt ein Bussard oder Habicht geflogen, würde er seinen schrillen Schrei ausstoßen und innerhalb kürzester Zeit flüchtete die Gemeinschaft in den Stall oder unter den Schutz eines Baums.
Sehen kann er seinen Feind allerdings schlecht, denn die Weitsicht von Hahn und Hühnern beträgt gerade Mal fünf Meter. Dafür sind sie mit einem besonderen Sinn ausgestattet. Mit ihrem Gefieder können sie feinste Vibrationen aufnehmen.
Was tut das Huhn sonst so? Fressen
Hühner sind Allesfresser und für ihr relativ geringes Körpergewicht von eineinhalb bis drei Kilo vertilgen sie ziemlich viel. Mehrmals täglich nehmen sie Gemüse, Kartoffeln, Salatköpfe und Körner zu sich. Das Gefressene kauen sie in ihrem Magen. Hühnern fehlen Zähne, und so kneten sie die Nahrung mithilfe von aufgepickten Steinen und den Muskeln in ihrem Magen mehrere Stunden lang durch. Dafür suchen sie sich gern einen sicheren Platz im Schutz der Bäume und verdauen dösend vor sich hin.
Hühner legen jeden Tag ein Ei und sonntags auch mal zwei?
Die Hühner, die auf Hof Hohlegruft leben, legen durchschnittlich 220 Eier pro Jahr. Mit der Tendenz sinkend, je älter sie werden. Die „Hennis”, wie Anke Stoltenberg ihre Tiere getauft hat, sind vom Aussterben bedrohte Rassen, die auf die Namen Arokaner, Sperber, Sundheimer Huhn oder Maraner hören. Sie sind robuster als so genannte Hybridhühner, die auf Legeleistung getrimmt wurden. Rassen wie Sperber, Arokaner oder Maraner haben muskulöse Beine, strahlende Kämme, einen sportlichen Körper und dichtes Gefieder, kurz, eine Figur, wie sie ihnen die Natur evolutionär geschenkt hat.
Hochleistung erzielen sie auch so. Allein schon weil sie Hühner sind. In ihrem Körper produzieren sie mehrere Eier parallel. Fällt das vorderste heraus, reifen dahinter bis zu vier weitere heran; zunächst als kleine Dotterkugeln, die auf dem Weg zum Ausgang eine immer festere Schicht Kalk um Eigelb und Eiweiß bilden. Befruchtet sind die wenigsten dieser Eier. Nur wenn der Hahn seine Henne begattet hat und sie zu diesem Zeitpunkt fruchtbar war, würde – bebrütet – ein Küken aus der Schale schlüpfen. Hätte es diese Chance gegeben, trägt das Ei einen Hahnen-Piek, einen kleinen schwarzen Punkt, der oberhalb des Eigelbs schwimmt.
Die Nester der Hühner
Die Hühnerhäuser, in denen die Tiere ihre Eier legen, sind einfache Verschläge aus Holz, 50 Zentimeter tief, vier Stockwerke hoch und jede Etage beherbergt fünf Nester. Davor sind Streben angebracht, auf denen die Hühner stolzieren können. Als Türen dienen einfache Klappen, im Innenraum ist ausreichend Platz für ein Huhn – und eine Wendung. Das führt manchmal zu einem Stau. Ist etwa das bevorzugte Nest von einer ranghöheren Henne belegt, muss ein anderes Huhn mitunter Minuten auf der Stange ausharren, bevor es hineinschlüpfen kann. Ein aufgeregtes „Gakeln“ tönt dann durch den Stall, „gagagagagagagagag“, und drückt das dringliche Bedürfnis aus, bald zum Zug zu kommen.
Zweimal am Tag schaut Anke Stoltenberg in den Stallungen vorbei. Sie sammelt die gelegten Eier ein, um die Hühner dann wieder sich selbst zu überlassen. „Ihre Eier sind ein Geschenk für uns“, sagt Anke Stoltenberg. „Im Gegenzug möchten wir ihnen ein so schönes Leben wie möglich bieten. Vielleicht klingt es ein bisschen komisch, aber wir bedanken uns jeden Tag bei ihnen für ihre Leistung.“
Short facts
Anke Stoltenberg bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Mann Ralf und vier Kindern den Hof Hohlegruft. Der Betrieb, gelegen in der Holsteinischen Schweiz, trägt seit 1989 das Bioland-Siegel und ist als Nutztier-Arche ausgezeichnet. Unter anderem leben hier Angler-Sattlerschweine, Pferde sowie rund 100 Hennen und Hähne. An den Bio-Hof ist ein eigener Hofladen mit Backstube angeschlossen. Von den Eiern, die Anke und Ralf Stoltenberg verkaufen, gehen 1 Cent pro Ei an die Bruderhahn-Initiativ.
Mit den Eiern von Hof Hohlegruft
… haben wir unter anderem unsere knusprigen Haferflockenkekse gebacken. Oder steht euch der Sinn nach einem schnell gerührten Kleingebäck? Dann schaut doch einmal bei unseren Schoko-Muffins vorbei.